Selbstorganisierte         Bildung
Beziehungsgestaltung Beziehungsgestaltung umfasst die Mitgestaltung von Partnerschaften, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen, familiären Beziehungen usw. Das menschliche Leben hängt ganz wesentlich vom Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen ab. Das häufige Auftreten von Beziehungsproblemen sowohl in privaten als auch in funktionalen Beziehungen (wie z.B. im Arbeitsleben) weist darauf hin, dass die Kunst der Beziehungsgestaltung zumeist nicht sehr ausgeprägt ist. Wir können vier Beziehungstypen voneinander unterscheiden: In sachorientierten Beziehungen geht es um das Erreichen gemeinsamer Ziele, wie z.B. in Arbeitsbeziehungen und Interessengemeinschaften. Hauptkriterium ist das Gelingen der Zusammenarbeit. In einseitigen Dienstleistungsbeziehungen geht es um das Erbringen bzw. um den Erwerb von Leistungen, wie z.B. in den Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler, Arzt und Patient, sowie Berater und Klient. Wichtigstes Kriterium ist die Qualität der Dienstleistung. In wechselseitigen Dienstleistungsbeziehungen geht es um den Austausch von Leistungen, wie z.B. in Wirtschaftsbeziehungen oder Vertragspartnerschaften. Hautkriterium ist die wechselseitige Abstimmung von Leistungen aufeinander. Neigungsbeziehungen gründen sich auf das Interesse am anderen Menschen, wie z.B. in Freundschaften und Liebesbeziehungen. Im Gegensatz zu den anderen Beziehungstypen ist hier die Gestaltung der Beziehung Selbstzweck und eigentliches Hauptthema. Eine Schüsselfrage ist, ob die Auffassungen der beiden Beziehungspartner von ihrer Beziehung miteinander verträglich sind. Wenn zwei Beziehungspartner die gemeinsame Beziehung unterschiedlich auffassen oder die Auffassung ihres Partners falsch einschätzen, führt das fast immer zu erheblichen Problemen. Deswegen ist es wichtig, die eigene Motivation sowie diejenige des Partners genügend zu klären: Was will ich? Was will mein Partner? Inwieweit passen die Erwartungshaltungen zueinander? Das Hauptproblem der Beziehungsgestaltung ist das Verhältnis zwischen Freiheit und Verbindlichkeit: Erkennen beide Beziehungspartner ihre Verpflichtungen gegeneinander und werden ihnen gerecht? Bewahren sich beide Partner ihre individuellen Freiräume und respektieren die Freiheitssphäre ihres Gegenübers? Zu viele Verpflichtungen erzeugen Druck und machen eine Beziehung unattraktiv; zu viel Freiheit kann die Herausbildung intensiver Beziehungen verhindern und zur Entfremdung führen. Zwischen Freiheiten und den Verpflichtungen beider Partner entfaltet sich die freiwillige Zuwendung zum Gegenüber. Sie ist der eigentliche Lebensmotor freier Beziehungen. Während zu viel Verbindlichkeit eine Beziehung bis hin zur Erstarrung verfestigt und zu viel Autonomie die Beziehung auflöst, bewegt sich die freie Initiative zwischen diesen beiden Extremen. Folglich geht es in einer Beziehung darum, diese drei Bereiche– Autonomie, Verbindlichkeit und Initiative –miteinander zu harmonisieren. Beziehungsprobleme ergeben sich zumeist durch einen unangemessenen Umgang mit diesen drei Bereichen: die Missachtung von Verbindlichkeiten in Form von Pflichtverweigerung und Unzuverlässigkeit die Missachtung des fremden oder des eigenen Freiraumes durch Übergriffigkeit bzw. durch Selbstaufgabe und Unterwürfigkeit das Fehlen oder Misslingen von Eigeninitiative durch Trägheit oder Ungeschicklichkeit Eine zunehmendes Schwierigkeit der Beziehungsgestaltung besteht darin, dass sich Beziehungen in der Vergangenheit immer an bestimmten Funktionsbildern orientiert haben (Ehe, Freundschaft, Liebesbeziehung, Arbeitsbeziehung usw.). Aus solchen konventionellen Funktionsbildnern resultieren zumeist fixierte Erwartungshaltungen, die die beiden Beziehungspartner aneinander haben. Die sozialen Bedürfnisse von Menschen können jedoch sehr individuell sein und lassen sich ggf. nicht im Rahmen konventioneller Beziehungen verwirklichen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Individualisierung von Beziehungen: Eine individuelle Beziehung muss ihre eigene Form und ihren eigenen Inhalt erst finden und verlangt eine entsprechend individuelle Beziehungsgestaltung. Bei jeder interessanten zwischenmenschlichen Beziehung lässt sich die Frage stellen: Was kann aus dieser Beziehung werden? Was ist das Potenzial dieser Beziehung? Wie kann ich Beziehungspotenziale erkennen? Ob sich ein Beziehungspotenzial aber auch realisieren lässt, hängt ganz wesentlich vom Willen und der Initiativbereitschaft der beteiligten Menschen ab. Jede Beziehungsgestaltung umfasst drei Komponenten: Ich, Du und Wir. Nur beiderseitig gewollte Aspekte lassen sich konstruktiv entfalten! Beziehungen verändern und entwickeln sich und durchlaufen dabei oftmals unterschiedliche Phasen. Die Beziehungsentwicklung hängt wesentlich von der individuellen Entwicklung der beiden beteiligten Menschen ab und verlangt besondere Aufmerksamkeit: Inwieweit verändern sich Lebensumstände, Gewohnheiten, Empfindungen und Motivationen beider Beziehungspartner, und wie können die Partner auf diese Veränderungen angemessen reagieren? Oftmals stehen fixierte Erwartungshaltungen der notwendigen Veränderung einer Beziehung im Wege. Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen einer Beziehung und insbesondere für die Möglichkeit der gemeinsamen Lösung von Problemen. Damit beide Partner hierbei von denselben Voraussetzungen ausgehen, ist es nötig, ein gemeinsames Problembewusstsein zu entwickeln, was nur im Gespräch möglich ist. . Die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung muss ebenso wie andere Fähigkeiten üblicherweise erst erlernt werden. Das kann nur durch Selbsterziehung geschehen; Selbsterziehung ist daher die Grundlage der Beziehungsgestaltung, denn die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung beruht auf den individuellen Fähigkeiten beider Beziehungspartner. Die bewusste Gestaltung des eigenen Verhaltens in Beziehungen ist wiederum nur durch Selbstreflexion möglich. Zum Seitenanfang