Selbstorganisierte         Bildung

Gemeinschaftsgestaltung

Gemeinschaftsgestaltung ist das konstruktive Zusammenwirken mit anderen Menschen bei der Verwirklichung gemeinsamer Zielsetzungen. Insofern geht es hier um die Mitarbeit an der Selbstorganisation von Menschengemeinschaften (Familie, Freundeskreis, Interessen- und Arbeitsgemeinschaften, Institutionen usw.). Weil Gemeinschaften aus einzelnen Menschen und deren individuellen Beziehungen bestehen, bilden die Grundfähigkeiten der Selbstorganisation und der Beziehungsgestaltung wesentliche Voraussetzungen einer wirklichen Gemeinschaftsbildung. Dazu kommen gemeinsame Ziele sowie die Herausbildung gemeinsamer Formen des Zusammenwirkens bzw. der Zusammenarbeit. Das eigentliche Kapital jeder Gemeinschaft besteht in der Motivation, der Initiative und den Fähigkeiten ihrer einzelnen Mitglieder zu individuellen und gemeinsamen Aktivitäten. Eine Gemeinschaft sollte daher die Freiheit und Initiative ihrer Mitglieder zu weit wie möglich fördern. Andererseits bedarf es verbindlicher allgemeiner Grundlagen wie gemeinsamer Ziele, Methoden, Verfahren, Strukturen und Regeln. Wie zwischenmenschliche Beziehungen, so entfalten sich auch Gemeinschaften im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Verbindlichkeit. Zu viele Verpflichtungen im Zusammenwirken lähmen die individuelle Initiative und bewirken Stagnation, zu viel Freiheit führt dagegen zu Chaos und Zerfall der Gemeinschaft. Jede wirkliche Gemeinschaftsbildung beruht auf den drei Grundprinzipien der Freiheit (Eigeninitiative), Gleichheit (Verbindlichkeit) und Brüderlichkeit (Zusammenarbeit). Eine professionelle Kommunikation ist die wichtigste Grundlage insbesondere von Arbeitsgemeinschaften. Hierzu bedarf es des regelmäßigen Austausches aller Gemeinschaftsmitglieder und ihrer Teilgruppierungen (Gremien, Arbeitskreise, Abteilungen usw.). Dieser Austausch, der z.B. in Konferenzen stattfinden kann, hat drei primäre Funktionen: die gemeinsame Selbstreflexion in der Besprechung von Erfahrungen und Problemen der Zusammenarbeit. Der Austausch über Fragen des Zusammenwirkens dient der Bewusstseinsbildung bezüglich des Zustandes der Gemeinschaft, d.h. der Transparenz für alle Beteiligten. Probleme müssen offen besprochen werden, damit ein gemeinsames Problembewusstsein entstehen kann, was wiederum die Voraussetzung für die Lösung der bestehenden Probleme bildet. der Beschlussfassung zur Selbstorganisation und Selbstverwaltung einer Arbeitsgemeinschaft oder Institution die gemeinsame inhaltliche Arbeit an bestimmten Themen, z.B. der Weiterbildung. Weil die individuellen Interessen oftmals stark voneinander abweichen, sollte ein möglichst großer Freiraum für Einzelinitiativen sowie für die Bildung von Interessenkreisen und Arbeitsgruppen bestehen. Das Organisationsniveau einer Gemeinschaft hängt vom Kommunikationsniveau ab. Professionelle Kommunikation erfordert vor allem Selbstdisziplin in allen drei Bereichen: im Reden: Klarheit, Verständlichkeit, Sachlichkeit, Beschränkung auf das Wesentliche im Zuhören: Zuwendung, Aufmerksamkeit, Mitdenken, Toleranz im Reagieren: thematischer Bezug (im Thema bleiben), Angemessenheit, Konstruktivität Die Selbstorganisation einer Gemeinschaft beruht auf gemeinsamen Beschlüssen und deren Umsetzung, weswegen die Beschlussfassung ein zentrales Thema der Gemeinschaftsgestaltung darstellt. Wesentliche Kriterien hierfür sind: die sachgerechte Erörterung von Lösungsmöglichkeiten für Problemsituationen die Ausarbeitung und genaue Formulierung geeigneter Beschlussvorlagen eine transparente Beschlussfassung sowie deren Protokollierung, Archivierung und allgemeine Bekanntmachung die Verpflichtung zur Durchführung von Beschlüssen und die Kontrolle ihrer Umsetzung einer Regelung des Umganges mit der Missachtung gefasster Beschlüsse, d.h. möglicher Sanktionen die Bereitschaft zur Revision, d.h. zur Aufhebung oder Abänderung von Beschlüssen, die sich als problematisch erwiesen haben Menschen tragen vielfach ihre eigenen Probleme in Gemeinschaften hinein und schwächen dadurch ein konstruktives Zusammenwirken. Individuelle Probleme werden so zu gemeinsamen Problemen; und soziale Probleme ergeben sich aus der Multiplikation individueller Probleme. Die zumeist übersehene Grundlage jeder Gemeinschaftsbildung ist daher die Selbsterziehung. Ebenso sind Beziehungsprobleme – d.h. Schwierigkeiten zwischen einzelnen Menschen – oftmals die Ursache von Gemeinschaftsproblemen. Eine konstruktive Beziehungsgestaltung ist deswegen eine der wichtigsten Aufgaben jedes einzelnen Gemeinschaftsmitgliedes. Die bewusste Gestaltung des eigenen Verhaltens in Gemeinschaften setzt des Weiteren eine beständige Selbstreflexion voraus. Und auch die Selbstorganisation einer Gemeinschaft muss beständig reflektiert werden, um Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen und korrigieren zu können sowie die Methoden und das Niveau der Selbstorganisation beständig zu verbessern. Dass Menschen und Menschengruppen nicht konstruktiv zusammenwirken können oder wollen, hat zum jetzigen Zustand der sozialen Verwahrlosung unserer Gesellschaft geführt. Die Gesellschaftsgestaltung entzieht sich jedoch (entgegen weitverbreiteten Illusionen) dem unmittelbaren Zugriff einzelner Menschen und Menschengruppen. Prinzipiell können Menschen nur an sich selbst arbeiten, nämlich an ihrer Selbstorganisation, Selbstausbildung, Selbsterziehung und Selbstreflexion. Bezüglich des eigenen Sozialverhaltens ergeben sich die Arbeitsfelder der Kommunikation und der Beziehungsgestaltung. Bestimmte Ziele lassen sich aber nur durch gemeinsame Wirksamkeit erreichen, und dies erfordert die Fähigkeit der Gemeinschaftsgestaltung, in der alle sieben Grundfähigkeiten zusammen kommen. Und solange das konstruktive Zusammenwirken in Gemeinschaften immer wieder misslingt, ist auch nicht an eine Umgestaltung der Gesellschaft zu denken: Bessere soziale Verhältnisse können nur durch Arbeit der Menschen an ihren sozialen Fähigkeiten entstehen. Zum Seitenanfang